
Seit Jahren treibt mich der Gedanke um, ob eine Leica Q nicht vielleicht die ultimative EDC Kamera ist. Sicherlich können viele, die diesen Beitrag jetzt lesen, diesen Gedanken nachvollziehen. Eventuell haben sie diesen Gedanken für sich selber schon gelöst oder sind noch dabei.
Probleme werden nicht besser, wenn man sie aufschiebt, deswegen habe ich mich vor kurzem durchgerungen, eine (gebrauchte) Leica Q Typ 116 zu bestellen. Die Leica Q ist aus 2015, mein Modell war aus 2017. Und die Frage war: kann die Leica Q mit einer aktuellen Kompaktkamera aus dem Jahr 2024 mithalten oder sie sogar verdrängen?
Dies war übrigens meine erste Leica Kamera überhaupt. Um es vorweg zu nehmen: heute habe ich sie zurück geschickt und es ist mir nicht leicht gefallen.
Aber unterm Strich blieb gegenüber der X100VI nichts übrig ausser dem wirklich genialen sehr schönen Gehäuse und der einzigartigen Möglichkeit, in einem Objektiv manuellen Fokus mit Entfernungs-Skala oder auch Auto-Fokus zu verwenden, gerade wozu man Lust hat. Bei vielen guten Objektiven kann man zwar auch zwischen AF und MF umschalten, hat aber dann nur focus-by-wire ohne Skala und dreht sich dumm-und-dusselig. Oder man schraubt ein manuelles Objektiv drauf, dann hat man zwar eine Skala, muss aber für den AF das Objektiv wieder wechseln. Die Leica bietet halt die geniale Möglichkeit, beides in einem Objektiv zu haben.
Einen 3D-Pop, wie bei meinem Sony 35 1,4 GM, habe ich nicht gehabt, die Freistellung war eher wie bei der X100VI. Das war meine größte Erwartung und gleichzeitig auch meine größte Enttäuschung. Eine Blende f1,7 bei 28mm an KB hat zwar auch laut DOF Rechner in etwa die gleichen Werte wie ein f2 bei 23mm an APS-C, insofern eigentlich keine Überraschung. Trotzdem hätte ich hier mehr erwartet, denn alle reden von Leica-Look und dem Wow-3D-Effekt usw. Das konnte ich für mich nicht wirklich nachvollziehen, vielleicht hat man das eher, wenn man von Mft kommt.
(Interessant sind hier übrigens auch die unterschiedlichen Farbgebungen. Alle 3 Aufnahmen wurden in RAW/DNG mit auto WA gemacht, lediglich in Lightroom importiert und als JPG exportiert, keine weiteren Anpassungen.)
Im Makro-Bereich kommt man nicht so nah ran, wie bei der Fuji X100VI. Im Grunde ist der Makro Modus bei der Q meiner Meinung nach ein wenig Pfusch, denn er ist quasi nichts anderes, als ein Fokuszonen-Umschalter. Was die Fuji in einer “Fokus-Range” abdeckt, ist bei der Leica in 2 Bereiche aufgeteilt, zumal Makro nur ab f2,8 geht (was nicht so schlimm ist, da man bei Makro die Blende oft sogar noch weiter schließt, aber die Fuji kann halt die Naheinstellgrenze mit f2 erreichen).
Der AF bei der Q ist leiser und in etwa genauso schnell. Augen AF funktioniert allerdings nicht so gut. Fuji hat Blitz und Klappdisplay, Bluetooth und Laden per USB-C. In-Body Laden bei der Q ist nicht möglich.
Die JPGs aus der Leica haben mir sehr gut gefallen, ich weiss nicht, warum man überall liest, dass die nichts taugen. Auch mit 28mm etwas weitwinkliger zu sein, als 35mm an Kleinbild mit der Fuji hat mir gut gefallen.
Eine Sache hat mich aber ergonomisch gestört und es mag an meinen Fingern liegen, aber die Riffel-Fläche des Makro-Rings ist permanent am Knöchel meines Ringfingers geschabt. Dort hatte ich nach dem ersten Tag richtig Schmerzen.
Die Fuji hat einen eingebauten 3-Stop ND Filter und einen Umschalter für OVF/EVF. Ob man den OVF verwenden will, ist allerdings Geschmackssache. Ein Nacheil ist z.B., dass der Gesichts-/Augen-AF nicht funktioniert, wenn man den OVF verwendet.
Die Fuji bringt viele klassische Filmsimulationen mit, die man noch justieren, oder bei B/W Simulationen, mit digitalen Filtern (R/G/Y) versehen kann. Bei der Leica hat man im Grunde nur ein paar Einstellungen wie Sättigung und Schärfe, um das JPG zu beeinflussen. B/W erreicht man bei der Leica, indem man Sättigung auf =0 setzt. Trotzdem haben mir die JPG Ergebnisse der Leica auch sehr gut gefallen.
Ich hätte für die Q meine X-E3 samt Fuji Objektiven und mein Sony 35 1,4 GM und Zeiss Loxia 50/2, das ich extra für meine MF-Anwandlungen habe, verkauft.
Aber unterm Strich war für mich die Fuji X100VI in Summe das bessere Gesamtpaket. WCL und TCL kann ich draufschauben bei Bedarf, um mit 28mm oder 50mm (an KB) zu hantieren, falls ich das möchte. Allerdings verliert man dadurch die Kompaktheit der X100VI.
Fazit
Als Fazit würde ich sagen: Wenn man noch keine kompakte Kamera hat und ca. 2.500€-3.000€ für eine gebrauchte Kamera ausgeben und wirklich etwas Besonderes möchte, kann man durchaus überlegen, eine Leica Q Typ 116 in 2024 zu kaufen. Vom Fotografier-Spaß her sowieso, aber auch von der Qualität kann sie durchaus mit aktuellen Kameras mithalten oder übertreffen. Sie ist wunderschön und reizt zum Anfassen und Fotografieren, vereint in einem leichten kleinen Paket alles, was sich ein Fotograf wünscht. Man kann mit der Leica Q sehr glücklich werden.
Wenn man einen aktuellen Allrounder auf dem neuesten Stand der Technik sucht, würde ich zur Fuji X100VI greifen, neu aus dem Laden für aktuell für ca. 1.800€ zu haben. Viele Dinge laufen hier doch im Alltag geschmeidiger, wie zum Beispiel das Laden im Kameragehäuse über USB-C (bei der Leica muss man auch für kleine Trips zwangsweise immer ein Akku-Ladegerät mitschleppen), die Bluetooth Verbindung, die Geotagging ermöglicht oder auch die einfachere Übertragung von Bildern (bei der Leica muss man sowohl am Handy als auch an der Kamera aktiv die Verbindung herstellen, ist okay, 2 Handgriffe mehr, aber die Fuji macht das halt auf Wunsch automatisch). Die Leica ist nicht gegen Staub und Spritzwasser geschützt, die Fuji mit einem Aufsatz fürs Objektiv schon. Die Fuji hat ein Klappdisplay, das der Leica ist fix. Die Fuji hat einen 40-MP APSC-Sensor, die Leica einen 26-MP Kleinbild Sensor, was das Cropping mit der Fuji im Endeffekt aber ergiebiger macht.
Auch spielte bei mir die Überlegung ein wenig mit: Inwieweit zieht man Diebe an, wenn man auf Tour ist und eine Leica um den Hals hängen hat? Bei uns sicherlich kein so großes Problem aber in fremden oder exotischen Städten, würde ich mich da eher unsicher fühlen.
Natürlich gibt es noch die Q2 und die Q3, aber die liegen aufgrund ihres aktuellen Preises außerhalb meiner Range. Für eine Kamera mit fix montiertem Objektiv bei der Q3 über 5.000€ auszugeben… Ja das kann man machen, wenn man will, oder wenn man entweder ganz viel Geld hat oder vielleicht weiß, dass es die einzige Kamera ist die man braucht. Für mich war es die Entscheidung eine Q Typ 116 oder gar keine. Sicherlich schaue ich mir die Q3 in ein paar Jahren noch mal an, weil ich sie durchaus interessant finde, wie zum Beispiel die Möglichkeit des kabellosen Ladens (schon einige Zeit, bevor die Q3 damit rauskam, habe ich mich gefragt, warum kein einziger Hersteller das für seine Kameras anbietet, fast jedes Handy oder Kopfhörer kann das heutzutage. Oder man könnte eine Bodenplatte anbieten, die das kabellose Laden ermöglicht…)
Somit ist meine kleine erste Leica-Exkursion erstmal zu Ende. Es war aber bestimmt nicht die Letzte… 🙂
Lieber Dirk,
erstmal Dank für die Mühen die Du Dir machst.
Die Zeiten ändern sich und im Frühjahr konnte man Leica Q2 zwischen 2500,- u. 3000,-€ schon von Privat erwerben.
Und so kam es, dass ich eine Q2 mein Eigen nenne.
Zur Wahl stand die Fuji x100 VI mit all den Vorsätzen in Neu, oder die Q2 ziemlich nackt. Da ich gut 40 Jahre mit einer analogen M Leica fotographiert habe, war die Entscheidung schnell zur Gunsten der Leica gefallen.
Gründe: Wasserdicht nach irgendeiner IP Norm, 47 MB Sensor und das immer noch tolle Objektiv (von dem schicken Design gar nicht zu sprechen).
Sie ist mittlerweile meine immer dabei Kamera mit der ich Städtereisen ausschließlich bestreite. Ein Ersatzakku dabei und ich kann hemmungslos, ein/zwei Tage damit fotographieren. Was das Fuß-Zoom nicht schafft, kann ich zur Not noch aus dem Bild heraus vergrößeren. Ich fotographiere in Jpeg schwarz/weiß und in DNG und habe somit alle Optionen.
Vielleicht wäre Dein Urteil anders ausgefallen, hättest Du die Q2 seiner Zeit zum Vergleich herangezogen.
Gut, die Preisdifferenz ist immer noch gewaltig und ob das bisschen mehr an Auflösung es einen Wert ist, steht auf einen anderen Blatt, aber ich bin zufrieden. Ein schlankes Kameramenue, fotographieren wie vor 50 Jahren wenn man es es will, oder man läßt das eine oder das andere von Kamera entscheiden (ach so es auch vor 50 Jahren mit einer A1).
BTW: Nimm doch mal eine Q2 zur Hand und fotographiere mal in SW; vielleicht sieht die Welt dann anders aus.
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Hallo Thorsten,
vielen Dank für deinen netten Kommentar.
Du wirst lachen, aber ich hatte zwischenzeitlich sogar einige Monate die Q3. Das heißt, ich konnte mir sogar von der “besten Q” auf dem technischen neuesten Stand ein ausführliches Bild machen. Ich habe mir sogar extra das komplette Zubehör gekauft, also inklusive Ladegriff und “Ladestation”, um mir ein wirklich vollständiges Bild zu machen.
Mittlerweile ist sie aber wieder weg, denn es gab einige Dinge, die mich wirklich mehr gestört haben, als dass die Q mich andererseits begeistern konnte:
– So schön die Q designmäßig auch sein mag: ohne Griff konnte ich sie kaum sinnvoll halten. Da ich die Angewohnheit habe, beim Herumgehen die Kamera in der Hand herunter baumeln zu lassen, rutscht sie mir ohne Griff aus den Fingern. Ein Griff macht die Kompaktheit der Kamera aber ein wenig zunichte und leider auch die Kamera schwerer.
– Die Styles teils haben nicht das gehalten, was ich mir von ihnen erhofft hatte. Sie waren mir alle zu intensiv und man konnte auch an ihren Einstellungen, inwiefern sie das Bild beeinflussen, nichts verändern. Letzten Endes habe ich also keinen der Styles verwendet.
– Dann waren noch so einige Kleinigkeiten. Zum Beispiel, dass das Wireless Laden nur funktioniert wenn man die Kamera fast links oder rechts außen auf den LadeBoden stellt, mittig, wie auf den Bildern dargestellt, funktioniert nicht. Das hängt einfach damit zusammen, dass Leica ein Billig-Dualladegerät eingekauft und umgelabelt hat, das links und rechts außen seine Ladepunkte hat, statt in der Mitte.
– Der für mich aber relevanteste Grund war, dass der Autom-Weißabgleich kaum zu gebrauchen war. Ich habe direkt aus der Kamera weder in RAWs noch in JPGs die Farben erhalten, die ich wollte. Hier habe ich auch alles versucht, und in den Foren haben auch viele das gleiche Problem. Der Tipp ist dann, einen festen Weißabgleich einzustellen und den automatischen nicht zu verwenden. Oder nur RAW zu fotografieren und den WA später in der Bildbearbeitung zu korrigieren. Das kommt für mich nicht infrage, bei einer 6000€ Kamera.
Sowohl das Thema der Styles, als auch der Weissabgleich sind allerdings für RAW Shooter nicht relevant oder wesentlich. Aber jeder verwendet seine Kamera anders. Ich möchte jedenfalls brauchbare JPGs aus meiner Kamera haben, und ich habe so ziemlich alles versucht, aber mit den JPGs aus der Q3 war ich nie zufrieden.
Ich wollte die Kamera so gerne lieben und als einzige verwenden, aber es hat leider nicht gereicht. Für mich ist die Q3 deswegen leider keine brauchbare einzige Kamera.
Hallo Dirk, hallo Mitleser,
Deine Kritikpunkte verstehe ich und würden mich in Deiner Situation auch stören.
Jeder Photograph hat seine eigene Vorgehnsweise / Philosohpie und dadurch bestimmte Wünsche an die Kamera.
Durch das jahrzentelage Photographieren mit einer Leica M 4 P mit aufgesetzten Belichtungsmesser bzw. Handbelichtungsmesser sind die neueren Digitalkameras wie eine Offenbarung bzgl. der Arbeitserleichterung für mich.
Ich fotografiere seit längerer Zeit mit dem Fuji-System, es erfüllt meine Ansprüche; der Umstieg auf eine digitale M erschien mir auf Grund der aufgerufenen Preise für die Kamerakörper und der Objektiven für reine Hobbyfotographie doch fragwürdig. Photographie ist nicht mein einziges Hobby. Dann lief mir die Q2 über den Weg, ein Angebot aus bekannten Händen und einen äußerst fairen Preis. Da entschied ich mich gegen eine Fuji x 100 VI und bin seit her zufrieden mit der Entscheidung, d.h. sie passt zur mir und meiner Art zu fotografieren, so das meine Fujis immer häufiger zu Hause bleiben.
Sehr schöner Bericht aus der Praxis mit sinnvollen Beispielbildern, danke!
Ich habe an einer Stelle allerdings Schwierigkeiten: “Eine Blende f1,7 bei 28mm an KB hat zwar auch laut DOF Rechner in etwa die gleichen Werte wie ein f2 bei 23mm an APS-C”.
Die Leica hat absolut gesehen eine etwas längere Brennweite, einen circa doppelt so großem Sensor, und eine etwas größere Offenblende – das sind doch gleich drei Faktoren, warum die Leica mehr Freistellungspotential haben sollte.
Auch wenn ich es anders rechne: nutze ich die Leica Q im 35mm Crop Modus, entspricht f1,7 circa f2,1 – also ziemlich genau der Fuji, allerdings bei einem deutlich größeren Sensor, oder, anders gerechnet: die Fuji als 23mm Kamera hat, auf Vollformat umgerechnet, eigentlich eine maximale Offenblende von f3,0 bei 35mm Brenneweite – oder fällt der Unterschied zwischen f2,1 und 3,0 in der Praxis einfach so gering aus? 🙂
Hallo MArkus,
ja, der Unterschied fällt in der Tat, auch rein optisch, leider gering aus. Du hast aber vollkommen korrekt gerechnet.
Aus
Fuji 23/f2 -> wird auf KB umgerechnet -> 35/f3
Leica 28/f1,7 -> wird auf 35mm gecroppt -> 35/f2,1
Hier eine kleine Tabelle
Orig mm Orig Blende Crop mm wie Blende
28 1,7 35 2,13
28 1,7 50 3,04
28 1,7 75 4,55
28 1,7 90 5,46
Für die Leica spricht aber absolut, dass die ISO rund 1,3EV niedriger gehalten werden können: 1EV aufgrund der Sensorfläche zzgl 0,3EV aufgrund der max. Offenblende von f1,7 zu f2.
Ich finde diesen Bericht sehr schön, weil er aus der Praxis ist. Das würde man sich öfter wünschen. Die Leica Q sieht wirklich gut aus aber ich habe mir eine Sony A7c geholt. Die Fuji hat den Hybridsucher, der mir so gefällt. Ich finde die x100 Kamerareihe einfach einzigartig und gut. Vielen Dank für den Bericht, er hat mir weitergeholfen.
Hallo Michael,
vielen Dank! die A7C(2) ist eine wirklich reizvolle Kamera. Ich hatte die A7C2. Da ich aber als Brillenträger auf einen großen Sucher angewiesen bin, habe ich sie leider wieder abgeben müssen.